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Ioannis Pheidas Kirchenbegriff und Kirchenverständnis In den ersten Zwei Jahrhunderten Die Struktur der Kirche
2. Die Strukturierung der Kirche in regionalen Vereinigungen νοn Gemeinden.Die Ausbreitung des Christentums durch die Predigt der Apostel schuf eine neue Realität. Das Christentum beschränkt sich nicht mehr auf die Gemeinde νοn Jerusalem, sondern erstreckt sich mit einer Menge νοn Gemeinden auf die ganze Welt. Die Gesamtheit der christlichen Gemeinden bildet das ganze Volk Gottes und infolgedessen die Gesamtkirche. Die historische Realität der Kirche ist die ihrer einzelnen Gemeinden, und so erscheint sie überdies im ΝΤ.Paulus betrachtet z.B. in seinen Briefen die Gesamtkirche als eine Vielzahl νοn Gemeinden und somit spricht er immer in bezug auf die Gesamtkirche νοn “αllen Gemeinden”306 oder νοn “αllen Gemeinden der Heiligen”307 oder νοn “αllen Gemeinden Gottes”308 usw. Diese Tatsache zeigt sich übrigens auch bei den apostolischen Vätern. So sprechen Ignatius und Polykarp direkt νοn “αllen Gemeinden”,309 während Klemens nur darauf hindeutet310. Das Christentum ist somit in seiner Erscheinung nicht die Kirche, sondern die Gemeinden. Die Gesamtheit der christlichen Gemeinden verwirklichen in der Praxis während dieser Periode des Christentums keine weltumfassende Gemeinschaft νοn “ekklesiai" / Kirchen, sondern lediglich eine zahlenmäßige Gesamtheit, wobei sich bei jedem Glied die gleiche Tatsache als richtig erweist, nämlich das Leben in Christus. Dabei bedeutet das Fehlen einer universalen Organisation und eines einheitlichen Aufbaus innerhalb des Christentums nicht zugleich auch das Fehlen jeglicher Art νοn Verbindung und Kommunikation zwischen den Gemeinden.Auf örtlichem Niveau wird dank der mόhelosen Umstellung und kurzer Verbindungswege die Kommunikation zwischen den Gemeinden gepflegt. Die Kommunikation zwischen den Gemeinden führte zur Schaffung von Gemeindegemeinschaften, die als ganzes betrachtet, die Struktur der Gesamtkirche ausmachen. Die Beteutung bezόglich der Gestalt und des Charakters dieser Gemeindegemeinschaften liegt darin, daί aus ihnen das gesamte synodale System entsprang und in ihrer Gestalt zu Beginn funktionierte. Die ersten Synoden, Zusammenkόnften νοn Bischöfen der einzelnen Gemeinden, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts hatten nämlich die Form einer Verwaltungseinheit des römischen Reiches, in der die Kommunikation dicht war. Die Frage, welche ursprüngliche Form der Aufbau der Kirche hatte und welche weitere Entwicklung, hat also zum Ziel, die ersten Anfänge und ursprünglichen Gründe für die Schaffung νοn Synoden aufzuzeigen. Die Kirche hat die Verwaltungsstruktur des römischen Reiches nicht ignoriert, sondern sie hat sich im Gegenteil von vornherein an sie angepasst. Paulus unterscheidet so seine Gemeinden nach den Provinzen des Reiches wie z.B. "Gemeinden Mazedoniens"311 oder "Gemeinden Asiens"312 oder "Gemeinden Galatiens"313 usw. Die petrinischen Briefe erwähnen offizielle, römische Provinznamen wie Ροntus, Galatien, Bithynien, Kappadokien und Asien als Kirchenprovinzen314. Die Apoc. betrachtet ebenfalls die Provinz Asiens als eine kirchliche Einheit315. Die Apg. spricht von der "Kirche in ganz Judäa, Gαliläα und Samarien”316 und das Aposteldekret wird an "die Brüder aus dem Heidentum in Antiochien, in Syrien und Cilicien"317gesendet. Der Galaterbrief, an die Gemeinden einer Provinz abgesendet318, betrachtet die Gemeinden von Galatien als eine Einheit und stellt ein wichtiges Zeugnis für die Struktur der Kirche dar. Aber außer diesen konkreten Informationen kommen immer wieder in den Paulusbriefen und in den anderen neutestamentlichen Schriften Provinznamen vor, wie Italien, Achaia, Zypern, Kreta usw., die auf Kirchengemeinschaften hindeuten. Denselben Eindruck gewinnen wir auch von dem folgenden Satz des Klemensbriefes, dhaften hindeut"in Stadt und Land predigten"319. Nach diesem Zeugnis wurde das Christentum in örtlichen Einheiten bzw. Gemeinden und weiter in Kirchengemeinschaften nach den Provinzen strukturiert320. Eine solche Struktur "κατά χώρας” zeigen auch die Briefe an Timotheus und Titus sowie die Johannesbriefe und die Schriften der apostolischen Väter. Die Briefe an Timotheus und Titus haben die literarische Form beratender Worte und Ermahnungen, als ob sie sich vom Apostel an seine Mitarbeiter richten, die missionarische und organisatorische Τätigkeit in einer geographischen Gebietseinheit ausüben. Die Tätigkeit von Timotheus und Titus beschränkte sich nämlich nicht nur auf eine Stadt und eine Gemeinde, sondern sie erstreckte sich auf das ganze Gebiet Asiens und Kretas. Asien und Kreta als geographische und politische Gebietseinheiten stellten auch Kircheneinheiten dar, in denen die Gesamtheit der Christen eine Einheit bildeten und die Vielzahl der Gemeinden eine Gemeinschaft. Timotheus und Titus fungierten unter ihnen als Apostel. Sie betreuten sie als eine Einheit. Darauf weist übrigens die Stelle des Briefes an Titus hin: "Ich habe dich in Kreta deswegen zurückgelassen, damit du das, was noch zu tun ist, zu Ende führst und in den einzelnen Städten Älteste einsetzt, wie ich dir aufgetragen habe"321. Die Einsetzung von Presbytern in "jeder Stadt" setzt voraus, daß es in . "jeder Stadt" Gemeinden gab. Strukturell betrachtet war also Kreta eine Kirchenprovinz. Die Apoc. und Ignatiusbriefe liefern über Asien als Kirchenvereinigung weitere wichtige Informationen. Die Apoc. richtet sich an die sieben asiatischen Gemeinden bzw. Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyateira, Sardes, Philadelpheia und Laodicea, und deutet so auf ihren regionalen Zusammenschluß hin322. Das erscheint übrigens auch in den Ignatiusbriefen, wenn Ignatius sie als die Gemeinden "Asiens"323 bezeichnet. Daraus folgt also, daß die kleinasiatischen Gemeinden als Gemeinden, die derselben geographischen und politischen Einheit angehörten, ebenfalls eine Kirchenvereinigung bildeten. Diese Vereinigung basierte auf dem Prinzip der Nachbarschaft und auf guten Verkehrsmöglichkeiten, die die wichtigste Voraussetzung für zwischengemeindliche Kommunikation waren und somit für die Schaffung einer Kirchengemeinschaft auf regionaler Ebene. Der Apostel Johannes wurde, wie Euseb berichtet324, in den kleinasiatischen Gemeinden organisatorisch tätig. Sein Nachfolger Polykarp stellte bis zu seinem Tod die dominierende Persönlichkeit des kleinasiatischen Christentums dar325, wie aus dem Satz seines Martyriums hervorgeht: "der ist der Lehrer Asiens und der Vater der Christen"326. Von Von r ist der Lehrer Asiens und der Vater der Christen”tig. Sein Nachfolger Polykarp stellte bis zu seinem Tod die dominierende Persφnlichkeit des kleinasiatischen Christentums dar bildeten. Diese Vereinigung basierte auf dem Prinzip der Nachbarschaft itfrage, worauf wir noch einmahl zurόckkommen werden. Ein anderer Provinzname, der als Kirchenvereinigung in den Schriften der apostolischen Väter vorkommt, ist der von Syrien. In den Briefen des Ignatius erscheint der Ausdruck “die Kirche in Syrien" (της εν Συρiα. εκκλησiας)327. Dieser Ausdruck schafft Probleme bezüglich des Gebrauchs des Begriffs "Ekklesia", da "Ekklesia" nirgendwo als Bezeichnung der Christen eines umfangreichen Gebietes erscheint. Ιn den Paulusbriefen kommt "Ekklesia" in Verbindung mit einem umfangreichen Gebiet wie Galatien, Mazedonien, Asien usw. vor und zwar pluralisch gebraucht. Hiermit stellt sich also die Frage, ob es sich hier um einen neuen Gebrauch des Begriffs "Ekklesia" handelt, da er seine ausschließliche Bedeutung als Gemeinde verliert. Eine vorsichtige Untersuchung des Ausdrucks "die Kirche in Syrien" läßt erkennen, daß Ignatius nicht die Gesamtheit der Christen Syriens als eine Kirche bzw. Ekklesia versteht. Wäre dieses gemeint, sollte der Ausdruck "die Κirche Syriens” lauten. Obwohl der Satz von Ignatius mehrmals wiederholt wird, kommt niemals der Genetiv "Syriens" (της Συρiας) vor, sondern immer der Dativ mit der Präposition "in" (εν). Die Präposition "in" deutet in diesem Fall auf einen konkreten Ort in Syrien hin und umschreibt in keinem Fall Syrien als Ganzes. Somit meint der Ausdruck "die Kιrche in Syrien” eine bestimmte Gemeinde in Syrien und nicht die Gesamtheit der Christen von Syrien. Die Frage nach der Identität dieser Gemeinde wird in den Briefen an Philadelphia, Smyrna und Polykarp gelöst, in denen der Ausdruck "die Kirche zu Antiochien in Syrien" (την εκκλησiαν την εν Αντιοχεiα της Συρiας)328 vorkommt. Trotzdem entsteht die Frage, warum Ignatius, wenn er über "die Kirche in Syrien" spricht, die antiochenische Gemeinde als die Kirche in Syrien betrachtet329, während die Existenz auch anderer Gemeinden in der Provinz Syrien durch den Satz "die Nachbarkirchen (der Gemeinden zu Antiochien)330 bekannt gemacht wird. Diese Tatsache erklärt sich daraus, daß Antiochien, die drittbedeutsamste Stadt des römischen Reiches, das wirtschaftliche und politische Zentrum Syriens war331. Die antiochenische Gemeinde behauptete infolgedessen eine herausragende Stellung gegenüber den übrigen Gemeinden desselben geographischen Raumes, welche kleiner und weniger bedeutend waren. Deshalb befanden sie sich in geistlicher und materieller Abhängigkeit von der Stadtgemeinde. Die Geschichte des Christentums in Syrien, bis zu dieser Zeit mit der Geschichte der antiochenischen Gemeinde identisch, erklärt die Gleichsetzung der antiochenischen Gemeinde mit Syrien in dem oben erwännten Ausdruck des Ignatius. Aber außer der Bedeutung und der Geschichtlichkeit der antiochenischen Gemeinde war Ignatius selbst noch ein Grund für diese Identifizierung. Ignatius als Apostelschüler nahm in Syrien eine entsprechende Stelle ein analog zu Titus in Kreta und Polykarp in Kleinasien. Er ist der Apostel in diesem bestimmten Gebiet von Syrien und infolgedessen der Betreuer der dort lebenden Christen. Seine Tätigkeit, die sich außerhalb der Grenzen der antiochenischen Gemeinde auf ganz Syrien erstreckt, hat dazu beigetragen, daß er sich als "Bischof von Syrien"332 bezeichnet. Dieser Ausdruck ist in Relation zum Ausdruck "die Kirche in Syrien" zu interpretieren, wo Ignatius als Sitz Antiochien hatte und das ganze Syrien als das Feld seiner Tätigkeit betrachtete. Die zentrale Stelle der antiochenischen Gemeinde in Syrien bezeugt auch der Adressat des Aposteldekrets "die Bruder aus dem Heidentum in Antiochien, in Syrien und Cilicien"333. Eine entsprechende Stelle wird von Paulus in seinen 2.Κοrintherbrief der korinthischen Gemeinde in der Provinz von Achaia zugeschrieben, wenn er an "die Kirche Gottes, die in Korinth ist, und αn alle Heiligen in ganz Achaia”334 schreibt. Und die römische Gemeinde scheint eine ähnliche Stellung innerhalb ihres geographischen und politischen Raumes zu besitzen. Wenn im ΝΤ z.B. von den Christen in Italien die Rede ist, ist meist die römische Gemeinde gemeint. Italien wird mit Rom fast gleichgesetzt. Die Informationen über andere Gemeinden in Italien sind sehr gering im Vergleich zu dem Gewicht, das der römischen Gemeinde gegeben wird335. Die Gemeinde des politischen und wirtschaftlichen Zentrums stellt ein kirchliches Zentrum für die benachbarten Gemeinden dar. Ein Zeugnis dafür liefert der Satz des Ignatius an die Römer "die (Gemeinde von Rom) führt auch den Vorsitz im Raum des Gebietes der Römer"336. Dieser Satz wird auch von vielen Katholiken als Beweis für die Vorrangstelle der römischen Gemeinde in Anspruch genommen. Die Annahme oder die Ablehnung dieser Position stützt sich auf eine weitere oder engere Deutung des römischen Gebietes ("χωρiου Ρωμαiων”). Im ersten Fall darunter das römische Reich und im zweiten Fall Italien verstanden wird. Trotzdem ist hier weder das römische Reich noch die Provinz Italien gemeint, sondern die Stadt Rom mit ihrer Umgebung. Unter dem Wort "χωρiον” versteht man hier nicht das Land Italien, sondern ein kleineres Gebiet in Italien. Denn "χωρiον” ist das Verkleinerungswort (Diminutiv) des Wortes "χώρα”. Somit meint Ignatius in diesem Fall nicht die geographische und politische Einheit Italiens, sondern die Stadt Rom und das um ihr liegende Gebiet. Wenn es sich hier um Italien handelte, sollte entweder das Wort "χώρα” vorkommen oder konkret der Name des Landes, nämlich Italien benutzt werden, wie es übrigens Ignatius für Syrien tut. Ιn Gegensatz zu Ignatius gebraucht Klemens in dem Satz "οι aπόστολοι καθiστανον τας aπαρχάς... κατά χώρας ουν και κατά Πόλεις” ganz ausdrücklich das Wort "χώρα”, womit geographische Gebiete wie Mazedonien, Achaia, Asien, Italien usw. gemeint sind. Ιn diesem Satz des Ignatius weist der Ausdruck "εν τόπω” nicht auf einen bestimmten Ort in dem von dem Satz "εν τόπω χωρiου Ρωμαiων” beschriebenen Gebiet hin, sondern er umschreibt das Gebiet. Grammatikalisch betrachtet, umschreibt das Wort τόπος, wenn es im Genitiv της χώρας und in diesem Fall του χωρiου regiert, die Fläche des Landes337. Deshalb meint der Ausdruck "εν τόπω χωρiου Ρωμαiων” nicht einen bestimmten Ort in der Umgebung von Rom , sondern die ganze Flδche, in der die rφmische Gemeinde "den Vorsitz hat (προκάθηται)338. Der Begriff "προκάθημαι” schreibt der römischen Gemeinde keinen Gewaltanspruch gegenüber den anderen benachbarten Gemeinden zu. Er hat hier nicht die Bedeutung von "προϊσταμαι” (vorstehen) sondern von "πρωτοστατώ” (an der Spitze stehen). Bei welcher Sache die römische Gemeinde an der Spitze stand, zeigt der folgende Satz "προκαθημένη της aγάπης” (=bei der Liebestätigkeit)339. Die römische Gemeinde besitzt die Vorrangstelle bezüglich der Diakonie und der Hilfe gegenüber den mit ihr benachbarten Gemeinden, welche übrigens die Empfänger der Wohltätigkeit der römischen Gemeinde waren. Diese Tatsache ist deswegen selbstverständlich, weil die römische Gemeinde -wie die antiochenische- das wirtschaftliche Zentrum des Gebietes und somit die reichste und wohlhabendste Gemeinde war. Infolgedessen sollte sie eigentlich in der Kirchengemeinschaft der Umgebung einen Ehrenplatz besitzen. Die Liebe nämlich bildet das Wesen jeder Art von Gemeinschaft, darum ist auch in dem Fall der Erhaltung einer Kirchengemeinschaft die Liebe als, gegenseitige Hilfe von substantieller Bedeutung. Die römische Gemeinde, die das meiste für die Kirchengemeinschaft in diesem Gebiet beiträgt, wird so als die "vorsitzende in der Liebe" betrachtet340. Somit setzt der Satz des Ignatius "die auch den Vorsitz führt im Raum des Gebietes der Römer" eine Gemeinschaft von Gemeinden voraus. Hier scheint Ignatius das Bild einer Versammlung mit Vorsitzenden der römischen Gemeinde vor Augen gehabt zu haben. Der Satz will nämlich ausschließlich und allein die besondere Bindung zwischen der römischen Gemeinde und der außerhalb der Stadt lebenden Christen zeigen und die römische Gemeinde als den Mittelpunkt in diesem Gebiet vorstellen. Das, was der Bischof im Bereich der Gemeinde darstellt, stellt die römische Gemeinde für das Christentum ihres Gebietes dar. Damit wird keine Vorrangstelle ausgedrückt, sondern nur die Bedeutung dieser Gemeinde für das Christentum dieses Gebietes hervorgehoben. Denn die römische Gemeinde war sowohl der Ursprung als auch der Treffpunkt des Christentums in diesem Gebiet. Das bezeugt der Hirte von Hermas, wenn er in seiner Erzählung die römische Gemeinde nicht isoliert betrachtet, sondern sie eng verbunden mit ihrer Umgebung sieht341. Die Bevorzugung der großen städtischen Zentren war die allgemeine Regel auch im Werk der Verkündigung in der apostolischen Zeit. Der Apostel Paulus schätzte besonders diese Zentren für die erfolgreiche Durchführung der Mission. Somit richtete er an sie die meisten seiner Briefe. Rom, Ephesus, Korinth, Thessaloniki waren die entsprechenden städtischen Zentren Italiens, Asiens, Achaias, und Mazedoniens. Durch die Gemeinden der bedeutendsten bürgerlichen Zentren verbreitete sich das Christentum schon im ersten Jahrhundert weiter, weil sich in ihnen das politische, wirtschaftliche und geistliche Leben versammelte und insofern durch sie die Verkündigung erleichtert wurde. Es ist verständlich, dund insofern durch sie die Verküdigung erleichtert wurde. Es ist verständlich, daß die Gemeinden der Hauptstädte für die Verbreitung des Christentums in ihren Provinzen entscheidend wirkten. Und so wurde jede von ihnen in ihrem geographischen Raum "Mutter-Gemeinde" und Zentrum der Einheit für die "Töchter-Gemeinden" im Glauben und in der Liebe342. Deshalb bewahrten, schützten und sorgten sie für die anderen Gemeinden. Jede Kommunikationsform zwischen der Mutter-Gemeinde und den Töchtern-Gemeinden stellte einen Ausdruck der Liebe und der Fürsorge der ersten zu den letzten dar. Der Apostel Paulus lobt in seinem ersten Thessalonicherbrief die Gemeinde der Hauptstadt von Mazedonien für die von ihr "an allen Brüdern in ganz Mazedonien" gezeigte "Brüderliebe"344; und er bittet, "diesen Brief allen Brüdern vorzulesen"344. Diese "brüderliche Liebe" äußerte sich hauptsächlich gegenüber den naheliegenden Gemeinden von Mazedonien. Dem Anschein nach dasselbe vollzog sich auch in den anderen Provinzen. Denn auch im 2. Korintherbrief läßt sich verstehen, daß der Brief durch die Gemeinde der Hauptstadt den übrigen Gemeinden von Achaia bekannt gemacht wurde345. Im Kolosserbrief scheint die Absendung des Briefes auch an die benachbarten Gemeinden von Laodicea und Hierapolis empfohlen zu werden346. Die Struktur der Kirche in dieser Zeit scheint der provinziellen Verwaltungsstruktur des römischen Reiches zu folgen. Trotzdem ist, wenn von den Gemeinden einer Provinz gesprochen wird, nicht eine Kirchenprovinz mit festgesetzten Grenzen gemeint. Denn die Kirchenstruktur war noch nicht genau nach den provinziellen Grenzen bestimmt. Die provinzielle Struktur des römischen Reiches bot den Rahmen für eine Rohgliederung der Gemeinden. Die Kirchengemeinschaften entstanden aber nach dem Prinzip der Nachbarschaft im engeren oder im weiteren Sinne ungeachtet der provinziellen Grenzen347. Paulus spricht z.B. allgemein über die Christen in Achaia und Mazedonien, dementsprechend in seinen Briefen an die Korinther und die Thessalonicher. Die Provinznamen Achaia und Mazedonien bieten ihm den Rahmen, das in ihnen lebende Christentum geographisch zu bestimmen und vom Christentum anderer Provinzen z.B. Asiens zu unterscheiden. In einigen Fällen betrachtet er das Christentum beider Provinzen von Achaia und Mazedonien als eine Einheit348. Die Gemeinden dieser geographischen Einheit scheint auch Ignatius mit dem Ausdruck "die Κirchen weiter vorwärts"349 zu meinen, an die er vor seiner Abreise von Troia nach Neapolis nicht schreiben konnte. Denn von dem Startort des Ignatius, Troia, betrachtet, befinden sich die Gemeinden von Mazedonien und Achaia in dem vor ihm liegenden Gebiet seiner Reiserichtung. Dennoch sind uns von der Vielzahl der Gemeinden dieses Gebietes nur die Gemeinde der städtischen Zentren, Korinth, Thessaloniki und Philippi bekannt. Das ist verständlich, weil sich durch sie das Christentum in diesem geographischen Raum weiter verbreitete. Und so wurden sie "Mutter-Gemeinden" und Zentren der Einheit der "Töchter-Gemeinden" im Glauben und in der Liebe. Die Korrespondenz von Paulus mit diesen Gemeinden richtet sich durch sie zugleich auch an die übrigen Haus- oder Dorfgemeinschaften der Umgebung. Jeder Brief von Paulus setzt eine Gemeinschaft von Gemeinden voraus mit einem Zentrum, das die Gemeinde ist, die den Brief empfängt. Gemeinschaften von Gemeinden bildeten sich nicht nur ausschließlich um das politische Zentrum der Provinz, wie z.B. Rom, Ephesus, Korinth, Thessaloniki, Antiochien, sondern auch um andere wichtige Zentren eines einheitlichen geographischen Raumes wie Philippi und Laodicea. Diese Städte, obwohl sie politisch Mazedonien und Asien angehören, erscheinen trotzdem als christliche Zentren. Die bedeutende Stellung der Gemeinde von Philippi wird durch die Absendung von Briefen des Paulus und Polykarps an sie bestätigt. Tertullian rechnet sie mit zu den angesehenen Gemeinden350. Der Κοlosserbrief stellt die Gemeinde von Kolossδ als das Glied einer Gemeinschaft von Gemeinden vor, die auch aus den Gemeinden von Laodicea, Hierapolis und der Hausgemeinde von Nympha bestand351. Die Gemeinde von Laodicea stellte das Einheitszentrum dieser Gemeinden dar. Das bekräftigt sowohl ihre Erwähnung oftmals am Ende des Briefes352, in dem der Laodicener Gemeinde eine besondere Position zugeschrieben wird, als auch die Ermahnung an die Kolosser Gemeinde mit ihr Briefe auszutauschen, von der sie übrigens auch politisch abhing. Diese Verwaltungseinheit Kleinasiens hieß Phrygien353. Das Christentum Phrygiens berief sich im zweiten Jahrhundert wegen des Aufenthaltes von Philippus und seiner Töchter auf eine besondere kirchliche Überlieferung354. Ausser diesen Informationen über die erste Struktur der Kirche haben wir spätere Zeugnisse bezüglich der Osterstreitfrage bei Euseb auch über zwei Kircheneinheiten in Osröene355 mit Zentrum Edessa und Palästina mit Zentren Cäsareia und Jerusalem, in denen übrigens auch Synoden einberufen wurden. Zusammenfassend heißt es: Die Kirche hat von Anfang an die, vorhandene Verwaltungsstruktur des römischen Reiches akzeptiert. Innerhalb dieses Verwaltungsrahmens entwickelten sich die ersten Kirchengemeinschaften, in denen die Gemeinden der städtischen Zentren eine besondere Stelle einnahmen. Aus diesen Kirchegemeinschaften entsprang das synodale System und funktionierte in diesem Rahmen zum ersten Μal am Ende des zweiten Jahrhunderts. |