On Line Library of the Church of Greece |
Ioannis Pheidas Kirchenbegriff und Kirchenverständnis In den ersten Zwei Jahrhunderten Die Struktur der Kirche
1. Die Einheit der Kirche und die Vielfältigkeit der Kirchen DAS WORT des Evangeliums wurde in der Urgemeinde als erlebende Glaubenserfahrung gelebt. Dies machte die Gläubigen zu einer Einheit bzw. zu einer Gemeinschaft. Die Apg. stellt die Einheit als charakteristisches Element der Urgemeinde vor: "Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam"264, wo ihre Vereinigung in der Person Christi sich konstituierte: "Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten"265. Die ersten Christen stellten somit nicht eine Ansammlung vereinzelter Individuen mit derselben Überzeugung von Christus als Sohn Gottes und Heiland dar, sondern bildeten eine organisierte Gemeinde, in der die Tatsache des Glaubens an Christus gelebt wurde. Das Evangelium war in der Geschichte eine konkrete Lebenspraxis und kein abstraktes Wort. Diese Realität, d.h. das Wort des Evangeliums als Glaubenserfahrung unter den Gläubigen in der Gemeinde, wurde von den Aposteln zu den von ihnen missionierten Christen gebracht. Die Apostel verkündingten bei ihrer Missionstäigkeit keinen abstrakten und spekulativen Glauben an Christus, sondern vermittelten konkretes kirchliches Leben und grüdeten Gemeinden, die den Glauben an Christus praktizierten. Wenn die Apostel Christus verkündeten, verkündeten sie zugleich die Kirche, da die Kirche seinen Leib und seine Existenzform in der Geschichte darstellt. Das Gemeinschaftsleben der Urgemeinde, das durch den Bergriff "εκκλησiα” determiniert wurde266, wurde von ihnen an die neuen Christen vermittelt. Somit entstanden Gemeinden, die das Gemeinschaftsleben der Urgemeinde praktizierten und den Begriff "εκκλησiα” annahmen267. Der Gebrauch des Begriffs "εκκλησiα” νοn jeder Gemeinde ist so ein Hinweis auf die Einheit im Glauben unter den Gemeinden, so wie der Begriff anfänglich die in der Urgemeinde gelebte Glaubenserfahrung bezeichnete und schliejeder Gemeinde ist so ein Hinweis auf die Einheit im Glauben unter den Gemeinden, so wie der Begriff anfänglich die in der Urgemeinde gelebte Glaubenserfahrung bezeichn268. Die Einheit des durch die Apostel an die Gemeinden weitergegebenen Glaubens stellt folglich das charakteristische Element der Einheit zwischen den Gemeinden dar. Die Apostel verkündeten ein und dasselbe Evangelium und pflanzten in die neugegründeten Gemeinden dasselbe Ereignis des Lebens in Christus ein269, wie es von Anfang an in der Kirche gelebt wurde. In jedem Ort, wo das Wort des Evangeliums auf fruchtbaren Boden fiel, entsprang derselbe Glaube an Christus dem Leben der Glaubigen im Bereich der Gemeinde270. Der eigentliche Inhalt des Evangeliums ist der Glaubensinhalt. Das Objekt und der Glaubensinhalt bilden eine unzertrennliche Einheit. Somit besteht der ekklesiologische Charakter der Glaubenseinheit in der Teilnahme des von allen Gemeindegliedern am Ort und in der Zeit erlebten Glaubens. Die Teilnahme an demselben Glauben versammelt und konstituiert die Gemeinden zur Kirche. Die Kircheneinheit ist somit in dieser ersten Zeit der Kirche nicht eine Einheit der Administration, sondern eine Einheit des Glaubens zwischen den einzelnen Gemeinden basierend auf dem einen Evangelium. Diese Form der Einheit scheint durch die Existenz von vier Gruppierungen in Korinth oder von antipaulinischen Missionaren in Galatien bestritten zu werden. Auf diese beiden neutestamentlichen Zeugnisse bzw. 1. Korinther - und Galaterbrief stutzt sich in der Regel die protestantische Forschung, um das Fehlen jeglicher Form von Einheit, sowohl im Wesen als auch im Aufbau, in der apostolischen Kirche zu betonen. Unser Ziel ist hier nicht eine ausführliche Untersuchung und Interpretation dieser neutestamentlichen Stellen, sondern nur die Anführung einiger Beobachtungen hinsichtlich der kirchlichen Einheit. Was die antipaulinischen Missionare , in Galatien anbetrifft, so handelt es sich dabei um judenchristliche Fanatiker, die den Einheitsvertrag zwischen Paulus und den Zwolf beim Apostelkonzil nicht akzeptierten. Sie durfen in keinem Fall mit der Jerusalemer Autoritäten gleichgesetzt oder als ihre Abgesandte betrachtet werden271. Dies bestätigt in der Regel die Stelle 2, 6 des Galaterbriefes. Paulus, an die Galater gerichtet und die judenchristlichen Missionare meinend, schreibt: "Aber auch von den Angesehenen etwas zu sein -was sie früher waren, kümmert mich nicht, Gott schaut nicht auf die Person-, auch von den "Angesehenen" wurde mir nichts auferlegt". Der Ausdruck "den Angesehenen etwas zu sein (οι δοκούντες εiναι τι) ist ironisch ausgedrückt und meint seine Widersacher, die glauben, dckt und meint seine Widersacher, die glauben, dwas sie früher waren, kümmert mich nicht, Gott schaut nicrgleich mit ihnen an die wirklichen Autoritδten, "die Angesehenen", d.h. an die Zwölf, die er mit demselben Terminus, nämlich "die Angesehenen" (οι δοκούντες) bezeichnet. Von der einen Seite sind seine Widersacher "die Angesehenen etwas zu sein" (οι δοκούντες εiναι τι) und der anderen die Zwölf, die wahren "Angesehenen (δοκούντες), auf die er seine Verteidigung gegenseine Widersacher _n, kόmmert mich nicht, Got"Auch von den "Angesehenen" wurde mir nichts auferlegt" zeigt. Die Widersacher des Paulus sind hier nämlich auch Widersacher der Zwölf und Widersacher des Einheitsvertrages beim Apostelkonzil, wie das der Satz bezeugt: "Deshalb gaben Jakobus, Kephas und Johannes, die als die Säule angesehenen, mir und Barnabas die Ηand zum Zeichen der Gemeinschaft”272. Der Begriff "Gemeinschaft" (κοινωνiα), der jene Daseinsform der Kirche zum Ausdruck bringt, mit der man das ganze Wesen der Kirche umschreiben könnte, drückt hier die Einheit der Apostolischen Verkündigung und die Tatsache des einen Evangeliums aus273". Daraus erklärt sich auch der Satz des Paulus an die Galater: "Ich bin erstaunt, dIch bin erstaunt, dch auch der Satz des Paulus an die Galater: “_ die Tatsache des einen Evangeliums aus_schreiben kezeugt: “_ch von den "Angesehenen" wurde mir nicden Zwolfum, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und die das Evangelium Christi verfδlschen wollen”274. Aus Anlaß dieser Tatsache hat Paulus ebenfalls nicht gezögert, auch Petrus selbst in Antiochien öffentlich zu kritisieren, weil er aus Angst vor den "Leuten aus dem Kreis υοn Jakobus” (από Ιακώβου275) eine wankende Position hielt276 und nicht den Übereinstimmungen des Apostelkonzils treu blieb. Diese Einheit der apostolischen Verkündigung scheint auch von der Existenz von Parteien in der korinthischen Gemeinde bestritten werden zu können. Vielmehr wird der Kirchenbegriff der apostolischen Kirche als die Vereinigung der Gläubigen in Christus am Ort angezweifelt und das Schisma als ein Wesensmerkmal der Kirche dargestellt. Die im Vers 1. Kor. 1, 12 erwähnten vier Parteien innerhalb der Gemeinde von Korinth entsprechen den Namen von drei Missionaren und Christus277. Wir wissen, d. Wir wissen, d Kor. 1, 12 erwδhnten vier Parteienätigkeit entfaltet hatten278. Dies führt zu dem Schluß, d. Dies fόhrt zu dem Schluί, dwδhnten ällig, sondern hier mit derselben Bedeutung gebraucht werden muß. D.h., dδllig, sondern hier mit esucht haben muί und zwar auf der Reise nach Rom279. Die Existenz und missionarische Tätigkeit der drei bedeutet aber nicht eine Uneinigkeit im verkündeten Evangelium. Die Einheit des Kerygmas zwischen Paulus und Apollos bestätigt sich durch den Satz des Paulus: "Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen"280. Die Übereinstimmung zwischen Paulus und Kephas wird im Satz des Galaterbriefes erwähnt: "Deshalb gaben Jakobus, Kephas und Johannes, die als die Säulen angesehenen, mir und Barnabas die Hand zum Zeichen der Gemeinschaft". Und die drei predigten und wirkten innerhalb der Gemeinde, nicht einzeln und ausserhalb von ihr281. Deshalb bezieht sich auch Ρaulus, als er sich an die Korinther wendet, auf eine Gemeinde “τη εκκλησiα τη ούση εν Κορiνθω” und nicht auf drei. Die Unterteilung findet sich nicht in Meinungsverschiedenheiten zwischen den drei Missionaren, sondern in der Parteinahme der Korinther in der Gemeinde. Dies belegt der Satz: "Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus". Mit anderen Worten, die Schuldigen für die Unterteilung sind die Korinther und nicht die Apostel. Dies wird ebenfalls von Klemens in seinem Brief an die Korinther bezeugt, wo er sie wegen dieses Ereignisses zurechtweist: "Nehmt den Brief des seligen Apostels Paulus! Was schrieb er euch zuerst am Anfang (der Verkündigung) des Evangeliums? Wahrhaftig im Geiste sandte er euch Weisung hinsichtlich seiner eigenen Person sowie des Kephas und Apollos, weil ihr auch damals Parteien gebildet hattet. Doch jene Parteiung brachte euch geringere Schuld ein;ihr doch für bezeugte Apostel und einen nach ihrem Urteil erprobten Μαnn Partei ergriffen”282, und ebenso wie aus der Ermahnung des Paulus an die Korinter: "Ist denn Christus zerteilt?"283 wobei mit Christus die auf seinen Namen gegründete Gemeinde gemeint ist. Christus und Kirche decken sich oft in den Briefen des Paulus. So ist es nicht verwunderlich, daß Paulus in der Spaltung der Gemeinde die Zerteilung Christi selbst sieht. Die Frage, die sich hier stellt, ist, wie jene Gruppierung zu interpretieren ist, die nach Christus genannt wird. Damit sind all jene gemeint, die bei der Auswahl zwischen den drei Aposteln keine Position beziehen wollten. Sie stellten die Unparteischen dar, die direkt Christus ohne eine mittelbare Verbindung angehören. Dies bestätigt auch die Tatsache, daß Klemens in seinem Brief an kie Kotinther jene Gruppierung überhaupt nicht erwähnt284. Somit stellt diese Situation in der korinthischen Gemeinde ein einzelnes und unnatürliches Phänomen in der frühen Kirche dar und wird als solches von Paulus und Klemens betrachtet. In keinem Fall muß es verallgemeinert werden, um die Weinheit des verkündenten Evangeliums und infolgedessen der Kirche streitig zu machen. Denn die Einheit ist ein Bestandteil der Kirche. Die Kirche ist diejenige, die ihren Glauben verkündet. Wenn sie aber ihren Glauben verkündet, verkündet sie sich selbst, und somit ihre Einheit. Die Kirche handelte in dieser Zeit in jedem Fall durch die Apostel285. Die Apostel mit ihren Mitarbeitern als die rechtmäßigsten Beauftragten Christi und somit der Kirche machten das Handeln der Kirche aus286. Jede kirchliche Aufgabe wurde von ihnen erledigt und jedes kirchliche Problem wurde von ihnen gelöst. Somit machten sie das kirchliche Handeln auch im Bereich der Mission aus. Eine parallele Mission zu ihnen bedeutete eine außerkirchliche Mission, wie aus den Worten des Paulus an die Galater bezüglich seiner Widersacher folgt: "und d“und dhliche Mission, wie aus den Worten des ”287. Die Apostel als Beauftragte der Kirche verkündeten, wie betont, nicht einen abstrakten Glauben an Christus, sondern die Kirche selbst, weil Christus nur innerhalb der Kirche zu finden ist. Sie gründeten in jeder Stadt und in jedem Dorf Gemeinden, die das Leben der Urgemeinde praktizierten und infolgedessen "Ekklesiai" hießen. Somit basiert die Einheit der von den Aposteln an geographisch verschiedenen Gebieten gegründeten Gemeinden auf ihrer Gleichheit. Alle Gemeinden bezeichnen sich alw Ekklesiai und fühlen sich einig. Demzufolge ist es selbsver ständlich, d, dzufolge ist es selbsver stδndlich_n den Aposteln an geographisch ve"Gemeinden Gottes" oder "Gemeinden Christi" bezeichnet. Denn es ist der eine und selbe Gott, der in jedem Ort die Gläubigen zur Ekklesia versammelt. Es ist der eine und der selbe Christus, der alle durch sein Wort in der Gemeinde durch seinen Geist vereint288. Für diese kirchliche Realität sind auch die Schriften der apostolischen Väter als unwidersprochene Zeugen, gegen Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Jahrhunderts verfaßt worden, wobei sie die ganze historische Entwicklung der Kirche bis zu ihrer Niederschrift vor Augen hatten. Klemens setzt die kirchliche Einheit voraus. Er sieht sie im 42. Kapitel seines Briefes an die Korinther in der Einheit der apostolischen Verkündigung, indem er darauf hinweist, daß die Apostel in den von ihnen gegründeten gemeinden ein und dasselbe Evangelium, das sie von Gott durch Christus empfangen hatten, verkündigten. Deshalb betrachtet seine Aussage:"Die Apostel em pfingen die frohe Botschaft für uns vom Herrn Jesus Christus; Jesus, der Christus, wurde νοn Gott gesandt. Christus kommt also νοn Gott, und die Apostel kommen νοn Christus her; beides geschah demnach in schöner Ordnung nach Gottes Willen"289 die Einheit nicht nur in der Weitergabe des Evangeliums von Gott durch Christus an die Apostel, sondern darüber hinaus deutet sie ebenfalls auf die Einheit des Glaubens unter den Gemeinden hin, insofern als ja dieses eine Evangelium von den Aposteln in jede Gemeinde gepflanzt wurde. Das horizontale Element der Einheit der über die ganze Welt verstreuten christlichen Gemeinden stützt sich auf das vertikale Element der gemeinsamen Weitergabe des Evangeliums. Jede Gemeinde steht auf dem gemeinsamen Fundament des Evangeliums und praktiziert in ihrem Leben denselben Glauben an Christus, darum ist nach Klemens die kirchliche Einheit in dieser von Anfang an bestehenden Übereinstimmung im Glauben zu sehen. Die Einheit in der Weitergabe des Evangeliums von Gott durch Christus an die Apostel und durch diese weiter an die Gemeinden bezeugt zugleich die Kircheneinheit als eine unter den Gemeinden bestehende Übereinstimmung im Glauben290. Bei der Tatsache, daß der Glaube an Christus ausschließlich und allein in der Gemeinde gelebt wurde, handelte es sich, was die Verkündigung des Evangeliums betraf, nicht um die Lehre eines theoretischen und unbestimmten Glaubens an Christus, sondern um die Weitergabe einer konkreten Art gemeinschaftlichen Lebens291. Dies wird durch den Satz des Briefes bestätigt, daß die Apostel "in Stadt und Land predigten und ihre Erstlinge nach vorhergegangener Prüfung im Geiste zu Bischöfen und Diakonen für die künftigen Gläubigen einsetzten", und weist auf den Charakter des apostolischen Verkündigung hin. Die Apostel predigten nämlich nicht einfach und zogen danach weiter, sondern organisierten zugleich die Missionierten und Getauften in Gemeinden. Verkündigung und Gemeindegründung sind nicht zwei völlig verschiedene Ereignisse, sondern gehören zusammen292. Wenn man annimmt, daß das Evangelium das Ereignis des Glaubens ist, entspricht die Gründung der gemeinde der Weitergabe des Erlebens dieses Ereignisses. Die Missionerten blieben nicht eine Menge, sondern wurden von den Aposteln an jedem Ort in gegliederten Gemeinden organisiert, eine Tatsache, die in der Einsetzung der Bischöfe und Diakone offenkundig wird293. Da aber Gemeinde die Form der Existenz und des Lebens des Wortes des Evangeliums am Ort und in der Zeit bedeutet, bedeutet die Auflösung der Gemeinde eine Entwurzelung des Wortes des Evangeliums. Deshalb deckt sich die Existenz und Einheit der Gemeinde unumgänglich mit der Existenz des Evangeliums in der Geschichte. Daß sich in jeder Gemeinde dasselbe wiederholt, führt zu dem Schluß, daß der Erhalt der Einheit der Gemeinde nicht nur durch die Existenz des Evangeliums am Ort von entscheidender Bedeutung ist, sondern auch dadurch, daß er zugleich die Voraussetzung in bezug auf den Erhalt der Einheit der Gemeinden im Glauben darstellt. Die Aufhebung der Einheit der Gemeinde würde zur Erschütterung der Einheit unter den Gemeinden führen, insofern, als jede Gemeinde ein cursiv Glied in der Gemeinschaft der Gemeinden und eine Einheit in der Einheit ist, wie es die Stelle des Paulus bezeugt "Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm"294. Jede Gemeinde war aber als Leib Christi295 eine vollständige Kirche, weil Christus, real präsent im Gemeindeleben und besonders in der Eucharistieversammlung, ihre Fülle bildete. Das aber wurde in allen Gemeinden verwirklicht und somit bildete die Identität des Lebens in Christus den Kern ihrer Einheit in der Einen Kirche Gottes. Darum zog die Fülle jeder Gemeinde in ihrem Leben aufgrund dieser Selbstgenügsamkeit nicht ihre Absonderung von der Gemeinschaft der Gemeinden, der Kirche Gottes, nach sich, sondern war vielmehr die Voraussetzung für ihre Eingliederung in die Kirche Gottes. Infolgedessen konnte es nicht sein, daß die Glaubenserfahrung einer Gemeinde in Christus verschieden war von der Glaubenserfahrung der anderen Gemeinden. Die Authentizität der Praxis der Glaubenserfahrung der Gemeinde bestätigte sich auch durch die Identität mit der Glaubenserfahrung aller anderen in der Kirche versammelten Gemeinden. In jeder Gemeinde fand sich und wurde diese Tatsache des Lebens in Christus gelebt. Jede Veränderung hätte einen Ausschluß vom rechten Glauben und eine Erschütterung der Glaubenseinheit unter den Gemeinden bedeutet296. So gibt es in dem Fall, daß sich eine Gemeinde in innerem Hader oder einer Zwangslage bezüglich des Wortes des Evangeliums befindet -etwas, daß in Verbindung zu ihrem Wesen steht- keine andere Möglichkeit, als sich an die in der Nähe befindlichen Gemeinden zur Prüfung der Orthodoxie ihres Glaubens zu wenden und sich dann mit diesem Mittel dem aufgetauchten Problem zu stellen. Im Rahmen einer solchen zwischengemeindlichen Kommunikation hat der Brief des Klemens seinen Platz und seine Bedeutung. Die in einer inneren Auseinandersetzung befindliche korinthische Gemeinde wendet sich an die ihr nächste römische Gemeinde und bittet sie um ihr Zeugnis in bezug auf das aufgetauchte Problem, wie der Satz erkennen läßt: "Wegen der plötzlichen und Schlag auf Schlag über uns gekommenen Heimsuchungen und Drangsale haben wir uns wohl erst etwas spät um die bei euch, Geliebte, in Frage stehenden Angelegenheiten und den schmutzigen und unheiligen Aufruhr gekümmert, der zu den Auserwählten Gottes so gar nicht paßt;"297. Die Gemeinde von Rom erwidert auf die Anfrage der Korinther, indem sie in einem Brief ihren Glauben bezüglich des angefragten Themas offenkundig macht. Der durch den Brief dargelegte Glaube stellt eine Bestandsaufnahme der gelebten Glaubenserfahrung nicht nur einer Gemeinde, sondern wegen der Glaubenseinheit unter den Gemeinden Glaubenszeugnis jeder Gemeinde dar, insofern als die Apostel in jeder Gemeinde denselben Glauben überlieferten. Deshalb stellt der Klemensbrief nicht das Glaubensdokument nur einer, sondern jeder Gemeinde dar, indem er den gemeinsamen Glauben der Gemeinden darlegt. Bedeutsam ist dies bezüglich der Satz des Briefes: "Oder haben wir nicht einen Gott und einen Christus und einen Geist der Gnade, der über uns ausgegossen ist, und ist die Berufung in Christus nicht eine?"298 womit durch die Einheit in der Berufung die Einheit der apostolischen Verkündigung und die daraus herrührende Glaubenseinheit der Gemeinden betont wird. Dies führt unvermeidlich dazu, daß "wir dies, Geliebte, nicht nur zu eurer (Gemeinde νοn Korinth) Zurechtweisung schreiben, sondern auch zu unserer (Gemeinde νοn Rom) Besinnung;”299 D.h., was den Inhalt des Briefes anbelangt, handelt es sich nicht um die Bestandsaufnahme der Glaubenserfahrung einer Gemeinde, sondern um das gemeinsame gemeinschaftliche Leben, das in jeder Gemeinde stattfindet, und deshalb gilt dieser Brief für jede Gemeinde als Glaubenszeugnis. Diese Tatsache wird in der Folge ebenfalls durch den sehr breiten Umlauf des Briefes in den christlichen Gemeinden und den hohen Wert, den er erhielt, bestätigt. Dieser grundlegende Gedanke über die Einheit der Kirche als Glaubenseinheit unter den Gemeinden herrscht auch in den Ignatiusbriefen. Auch er betont den einen Glauben an Christus300, der in jeder Gemeinde verwirklicht wird und folglich das charakteristische Element der Einheit unter den Gemeinden ist. Die Verwirklichung des Glaubens am Ort setzt die Einheit der Gemeinde voraus. Die Einheit der Gemeinde wird bei Ignatius mit ihrem Glauben identifiziert, wie aus dem Satz hervorgeht: "Wenn nämlich kein Streit bei euch eingedrungen ist, der euch zusetzen könnte, so lebt ihr gottgemäß"301. Spaltung der Gemeinde und ein gottgefälliges Leben sind für ihn unvereinbar302. So findet sich in seinen Briefen die Einheit der Gemeinde als Gegenstand der Lehre und des Kampfes gegen jede spaltende Kraft303. Die Einheit der Gemeinde sieht Ignatius in der Einheit der Glieder mit dem Bischof;304. Der Bischof wird somit zum Haupt und Mittelpunkt der Gemeinde. Ignatius gründet die organische Einheit und Vollständigkeit der Gemeinde in der unter dem Bischof gefeierten Eucharistie. Alle Gemeinden erleben dieselbe volle Realität in der heiligen Eucharistie. Diese Vollkommenheit bildet nicht den Erwerb jeder Gemeinde, sondern eine Gottesgabe an alle Gemeinden. Deshalb haben die über die ganze Welt verstreuten Gemeinden, welche das Bewußtsein ihrer Vollkommenheit hatten, die feste Überzeugung, daß sie nur durch diese Vollkommenheit organisch dem einen Leib Christi angehören, der einen Kirche Gottes, nie verloren. Dieses Bewußtsein der Vollkommenheit und der Identität drückt, nach Ignatius, der Vorsteher der Eucharistieversammlung, der Bischof, der, als "Abbild Gottes" und Haupt des Leibes der Gemeinde der Repräsentant ist, einerseits die Einheit und Vollkommenheit seiner Gemeinde305, und andererseits ihre Identität zu allen anderen Gemeinden aus. Die Einheit in der Identität aller Gemeinden in der heiligen Eucharistie kam also durch die Einheit des Leibes der Bischöfe zum Ausdruck, die "εν Ιησού Χριστού γνώμη εισιν”. Diese Einheit des Leibes der Bischöfe basiert aber auf die unerschütterliche Basis der Einheit der Gemeinden in der heil. Eucharistie, weil sie diese zum Ausdruck bringt und nicht ersetzt. Darum ist die erste ohne die zweite unmöglich und unvorstellbar. Aber darauf werden wir im weiteren zurückkommen. In bezug auf diese Darstellung heißt es zusammenfassend, daß die Kircheneinheit am Ort und in der Zeit sich ausschließlich im Bereich der Gemeinde als die Vereinigung der "Vielen" in "Christus" geschichtlich verwirklicht. Dieses Ereignis wird real beim gemeinsamen Mahl gelebt. Die Tatsache jedoch, daß in jeder Gemeinde derselbe von den Aposteln vermittelte Glauben an Christus praktiziert wird, offenbart den Charakter der Einheit zwischen den Gemeinden als Einheit in der Identität. Die synodale Institution als die Bestätigung oder die Wiederherstellung der Einheit der Gemeinden im rechten Glauben und in der Liebe durch Kommunikation setzt die Einheit voraus und sucht nicht erst sie zu schaffen.
|